Vorsitzender Ralph Raule zur Corona-Krise

Der Vorsitzende vom Gehörlosenverband Hamburg, Ralph Raule, äußert sich im Film über die Corona-Krise und ihre Auswirkungen für die gehörlosen Menschen.

 

Seit vier Wochen gibt es Ausgangsbeschränkungen, Kontaktsperren. Die Corona-Krise hat vieles verändert. Auch der Vorstand im Gehörlosenverband hat überlegt, was er in der Krise tun kann. Die letzte Vorstandssitzung war im März. Danach kamen die großen Veränderungen. Täglich gab es Neuerungen. Was der Vorstand heute gedacht und beschlossen hatte, musste morgen wieder überdacht werden. Bei der letzten Vorstandssitzung hatte der Vorstand schon vermutet, dass die Veranstaltungen wahrscheinlich so in dieser Form nicht durchgeführt werden könnten. Dann kam tatsächlich die Aussage, dass keine Veranstaltungen mehr stattfinden dürfen. Überall gab es Absagen. Auch die Geschäftsstelle wurde geschlossen, die persönliche Beratung von Thomas Worseck musste eingestellt werden. Alles wurde zugemacht, es durfte keinen Kontakt mehr geben.

Der Gehörlosenverband stand auch in Verbindung zu anderen Gehörlosen-Landesverbänden und im Informationsaustausch mit dem Deutschen-Gehörlosen Bund. Der Vorstand weiß auch nicht, was morgen oder übermorgen auf uns zukommen wird. Es ist keine einfache Situation. Man muss positiv denken. Dennoch kann keiner sagen, wie es weiterlaufen wird. Die Sperre geht über Ostern bis zum 19. April. Dann wird die Bundesregierung neu entscheiden, wie es weitergehen wird. Wenn die Menschen sich draußen an die Abstandsregeln halten und die Infektionsrate sich verringert bzw. die Kurve der Neuinfektionen abflachen wird, dann hofft Ralph Raule, dass es im Mai zu den ersten Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen kommen wird. Im Moment kann dazu kaum eine verlässliche Aussage getroffen werden.

 

Bei den Pressekonferenzen der Stadt Hamburg mit dem Bürgermeister werden Gebärdensprachdolmetscher*innen eingesetzt. Vorher bekamen die Gehörlosen keine Informationen, was im Fernsehen oder im Internet gesagt wurde. Durch die Corona-Krise kommt jetzt langsam ins Bewusstsein, dass gehörlose Menschen hier abgehängt werden. Der Gehörlosenverband hat in der Vergangenheit immer verlangt, dass bei mündlichen Verlautbarungen auch Gebärdensprachdolmetscher*innen eingesetzt werden müssen. Jetzt wird der Öffentlichkeit mehr und mehr bewusst, dass Gehörlose auch informiert werden müssen. Leider werden die Übersetzungen in Gebärdensprache nur im Internet gezeigt. Im Fernsehen werden Übersetzungen kaum gezeigt, dort ist es immer noch schwierig.

 

Ein anderes Thema: Arztbesuche. Auch hier gestaltet die derzeitige Situation die Kontaktsperre und den Infektionsschutz schwierig, sodass der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Dolmetscher*in so nicht mehr einfach funktioniert. Dazu kommt noch der Mundschutz. Wie gehen wir damit um? Parallel und im Hintergrund hat ein*e Dolmetscher*in verschiedene Krankenkassen kontaktiert, damit Online-Dolmetschen bei Arztgesprächen ermöglicht wird. Vor der Krise war eine Online-Beratung mit Ärzt*innen und Gebärdensprachdolmetscher*innen kaum möglich. Durch die Krise ändert sich das. Die Corona-Krise schafft jetzt auch in anderen Bereichen Veränderungen, die vor der Krise kaum möglich waren. Vor der Krise wurde Vieles angesprochen und diskutiert, jedoch nichts umgesetzt. Durch die Krise kommen Bewusstseinsänderungen. Einiges wurde umgesetzt, aber noch nicht alles. Der Gehörlosenverband muss hier weiter aktiv bleiben. Wenn irgendwann die Krise vorbei ist, hofft Ralph Raule, dass nicht alles zum Alten zurückkehrt. Wichtig ist, dass die Gehörlosen sich gegenseitig unterstützen und sich weiter - z.B. in den sozialen Medien wie Facebook - für eine barrierefreie Information und Kommunikation einsetzen und die Probleme der Gehörlosen für eine breite Bevölkerung sichtbar machen.

 

Viele in der Bevölkerung finden die Gebärdensprache interessant. Bei unseren Gesprächen mit dem Fernsehen bekam der Gehörlosenverband die Aussage, dass sich die hörenden Zuschauer*innen von der Gebärdensprache im Fernsehen gestört fühlen. Durch die Krise ist die Gebärdensprache sichtbarer geworden. Ralph Raule hat nicht den Eindruck, dass die Gebärdensprache hier stören würde. Bisher gibt es keine Beschwerden, dass die Gebärdensprache im Fernsehen stören würde und abgeschafft werden sollte. Das Fernsehen behauptet jedoch das Gegenteil. Wir hoffen, dass hier durch die Krise auch im Fernsehen ein Bewusstseinswandel eintritt.  

 

Die Kindergärten und Schulen sind geschlossen. Es kommt zu außergewöhnlichen Situationen. Treffen mit Freunden werden weniger, man chattet mehr, Distanz ist hinzugekommen. Gleichzeitig kommt man der Familie und den Kindern näher. Man lernt sie anders kennen. Ralph Raule glaubt, dass die Krise, die noch wochen- und monatelang andauern wird, viele Veränderungen mit sich bringen wird. Veränderungen bringen auf der einen Seite Risiken mit sich und Unsicherheiten, was kommen wird, auf der anderen Seite auch Chancen. Die Veränderungen können auch positiv sein, sich zum Besseren wenden.

 

Niemand - auch nicht die Bundesregierung - kann sagen, was kommen wird. Auch die Bundesregierung ist verunsichert. Trotzdem verhalten sich alle in Deutschland ruhig. Hamburg verhält sich ruhig. Das ist für den Moment ok. Klar ist auch, dass wir im Gehörlosenverband überlegen, wie es weitergehen kann. Die Geschäftsstelle mit Thomas Worseck überlegt, wie sie anders arbeiten kann, wie die Beratung laufen kann. Sie ist ständig im Kontakt mit dem Vorstand.

 

Ralph Raule und der Gehörlosenverband bitten, dass alle ruhig, zu Hause und geduldig bleiben und diese Situation neu kennenlernen.

 

Bleibt oder werdet gesund. Tschüss.