Dolmetschen vor Gericht

Rechtsnorm

§ 186 Gerichtsverfassungsgesetz (in der Fassung vom 08.10.2017)

 

(1) Die Verständigung mit einer hör- oder sprachbehinderten Person erfolgt nach ihrer Wahl mündlich, schriftlich oder mit Hilfe einer die Verständigung ermöglichenden Person, die vom Gericht hinzuzuziehen ist. Für die mündliche und schriftliche Verständigung hat das Gericht die geeigneten technischen Hilfsmittel bereitzustellen. Die hör- oder sprachbehinderte Person ist auf ihr Wahlrecht hinzuweisen.

 

(2) Das Gericht kann eine schriftliche Verständigung verlangen oder die Hinzuziehung einer Person als Dolmetscher anordnen, wenn die hör- oder sprachbehinderte Person von ihrem Wahlrecht nach Absatz 1 keinen Gebrauch gemacht hat oder eine ausreichende Verständigung in der nach Absatz 1 gewählten Form nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist.

 

(3) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz bestimmt durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf,

1. den Umfang des Anspruchs auf Bereitstellung von geeigneten Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2,

2. die Grundsätze einer angemessenen Vergütung für den Einsatz von Kommunikationshilfen gemäß den Absätzen 1 und 2,

3. die geeigneten Kommunikationshilfen, mit Hilfe derer die in den Absätzen 1 und 2 genannte Verständigung zu gewährleisten ist, und

4. ob und wie die Person mit Hör- oder Sprachbehinderung mitzuwirken hat.

 

 

Rechtsanwendung

 

Gilt das Gesetz für alle Gerichte?

 

Ja, das Gerichtsverfassungsgesetz gilt für alle Gerichtszweige. 

Aber problematisch bleiben die Sachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit, d.h. zum Beispiel in Grundbuch- oder bei Erbschein-Angelegenheiten. Es handelt sich hier im Großen und Ganzen Sachen, wo ein Rechtspfleger und nicht ein Richter entscheidet. Die freiwillige Gerichtsbarkeit wird in § 13 GVG erwähnt. Es wird aber oft keine Verpflichtung zur Heranziehung von Gebärdensprachdolmetscher bzw. Kommunikationshilfen gesehen.

 

 

Wer trägt die Kosten der Gebärdensprach-Dolmetscher, Schrift-Dolmetscher oder Kommunikationshilfen? 

 

Das Gericht bzw. die Staatskasse übernimmt die Kosten der Gebärdensprach-Dolmetscher, Schrift-Dolmetscher oder Kommunikationshilfen. Die Kostenregelung ist für alle Gerichtszweige gleich. Laut Nr. 9005 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz hat ein gehörloser oder hochgradig schwerhöriger Mensch, der dem Gerichtstermin unentschuldigt fernbleibt, die Kosten für Gebärdensprach-Dolmetscher, Schrift-Dolmetscher bzw. Kommunikationshilfen zu tragen. Ansonsten muss der gehörlose oder hochgradig schwerhöriger Mensch keine Kosten für den Gebärdensprachdolmetscher, Schriftdolmetscher bzw. Kommunikationshilfen tragen, unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens.

 

 

Wer entscheidet über die Wahl der Gebärdensprach-Dolmetscher, Schrift-Dolmetscher bzw. Kommunikationshilfen?

 

 

Die gehörlose oder hochgradig schwerhörige Person entscheidet über die Wahl der Art der Kommunikation. Das Gericht sucht selbst den Dolmetscher aus. 

 

 

In welchen Situationen besteht Anspruch auf Übersetzung?

 

Wenn ein Gehörloser bzw. hochgradig Schwerhöriger eine Gerichtsverhandlung als Zuschauer (Öffentlichkeit) beiwohnt, dann ist davon auszugehen, dass das Gericht die Kosten für Gebärdensprachdolmetschen bzw. Kommunikationshilfen nicht übernehmen wird. § 186 GVG spricht nur von Personen, mit denen eine Verständigung zu erfolgen hat und nicht vom reinen Zuhören.

 

Gericht muss Dolmetscher bzw. Kommunikationshilfen beauftragen, wenn die gehörlose bzw. hochgradig schwerhörige Person als Zeuge geladen wird. Er ist dann Verfahrensbeteiligter. Das gilt auch für Gehörlose bzw. hochgradig Schwerhörige, wenn sie bei schwerwiegenden Straftaten als Nebenkläger auftreten.

 

Ein Problem bleiben weiterhin die Fälle, wo Gehörlose oder hochgradig Schwerhöriger Kläger oder Beklagter sind und das Gericht sie nicht persönlich zum Termin lädt. Dann wird immer häufig der Anspruch auf Dolmetscher bzw. Kommunikationshilfen verneint, wenn ein Anwalt den Gehörlosen bzw. hochgradig Schwerhörigen vertritt. Den Anspruch müsste der hörende Rechtsanwalt für seinen Mandanten durchfechten, wenn sie einen gehörlosen bzw. hochgradig schwerhörigen Mandanten haben, der nicht nur als Marionette ohne Dolmetscher neben dem Anwalt in der Verhandlung sitzen möchte.